Die Archäologie

Die archäologischen Ausgrabungen in Vörstetten

Im Jahr 1991 wurden am nördlichen Ortsrand von Vörstetten die ersten Keramikscherben der früh-alamannischen Zeit entdeckt. Noch im gleichen Jahr konnte mit einer kleinen Ausgrabung geklärt werden, dass hier eine Siedlungsstelle der frühen Alamanninnen und Alamannen 20 km östlich des spätantiken Limes am Rhein und in der Nähe der Höhensiedlung auf dem Zähringer Burgberg liegt. Zur Beurteilung der Ausdehnung des Siedlungsplatzes wurde 1991/92 eine Fläche von zwei Hektar geomagnetisch vermessen. Die Ergebnisse deuten auf einen größeren Siedlungsbereich der frühen Alamannen hin. Da die Alamanninnen und Alamannen Häuser aus Holz und Lehm bauten, bleiben nach 1600 Jahren nur geringe Spuren der Gebäude erhalten. Nur die im Boden eingetieften Bauteile wie Pfostenstellungen oder die Feuerstellen der Gebäude sowie Abfall- und Vorratsgruben sind bei der Ausgrabung noch als dunkle Flecken erkennbar. Diese entstehen, wenn Gebäude abbrennen oder abgerissen werden und die Pfostenlöcher des Hauses wieder verfüllt werden. Diese mit Humus vermischte Erde und Asche vom Brand ist dann dunkler als der umgebende Lösslehm. Im Sommer 1998 wurde im Bereich der Straßentrasse zur Erschließung des Gewerbegebietes mit der Ausgrabung begonnen. Bis im Jahre 2000 konnte ein Hektar des Siedlungsbereiches ausgegraben werden, womit die Siedlung zu den am umfangreichsten dokumentierten Siedlungen der früh-alamannischen Zeit in Baden-Württemberg gehört. Die siedlungsarchäologische Interpretation des Grabungs-befundes ergibt kein deutliches Bild. Aufgrund des Grabungsplans kann man von mehreren Gehöften ausgehen, bestehend aus einem Hauptgebäude, Rundspeicher, Grubenhaus, Schmiedewerkstatt, Brunnen sowie Abfallgruben und Öfen (möglicherweise Getreidedarren). Der Fund von Eisenerzbrocken und Schlacke macht deutlich, dass Rennöfen zur Eisenerzverhüttung vorhanden gewesen sein müssen. Die Interpretation wird dadurch erschwert, dass sich die Befunde teilweise überlagern, so dass sie möglicherweise nicht zeitgleich vorhanden waren. Ein Gebäudegrundriss zeigte ungewöhnlich große Pfostengruben von bis zu 0,80 m Durchmesser. Durch die Anordnung der Pfosten ist dieser Grundriss mit den Wohnstallhäusern im nordgermanischen Küstengebiet zu vergleichen. Dabei sind die sechs großen Pfosten die dachtragenden des Wohnbereiches, während die wesentlich kleineren Pfosten der Außenwände nur vereinzelt erhalten sind. Der Stallteil liegt größtenteils in dem zuletzt ausgegrabenen Bereich. Bevor mit der Rekonstruktion des Wohnstallhauses begonnen wurde, sollte 2007 eine archäologische Ergänzungsgrabung den Nachweis erbringen, dass der bereits 1998 – 2000 im Vörstetter Gewann „Grub“ entdeckte und teilweise ausgegrabene Haustyp dem auf der Feddersen Wierde (nördlich von Bremerhaven) archäologisch nachgewiesenen nordgermanischen Wohnstallhaus entsprach. Dieser Nachweis würde bedeuten, dass die in das ehemalige römische Reichsgebiet eingewanderten Germanen nicht nur aus dem Elbe-Oder-Raum kamen, sondern auch aus dem norddeutschen Küstenraum. Die ausgegrabenen Pfostenlöcher stützen insgesamt die Hypothese des vermuteten nordgermanischen Wohn-stallhauses. Im südwestdeutschen Raum sind bislang nur fünf solcher Häuser nachgewiesen. Besonders häufig sind sie im Elbe-Weser-Dreieck, an der Nordseeküste und auf der Halbinsel Jütland (Schleswig-Holstein und Dänemark) gefunden worden. Die neuere Forschung geht von einer Nord-Süd-Wanderung germanischer Siedlerinnen und Siedler aus, die vor allem durch Veränderungen des Klimas verursacht wurde (Anstieg des Meeresspiegels, Missernten, Hungerwinter). Für die Standortwahl der frühalamannischen Siedlung im Vörstetter Gewann „Grub“ war möglicherweise die Nähe zur römischen Fernstraße von Mogontiacum (Mainz) nach Augusta Raurica (Kaiseraugst) ausschlaggebend. Die Ausgrabung „Feddersen Wierde“ (heutiges Niedersachsen, nördlich von Bremerhaven) ermöglichte die exakte Rekonstruktion. Der Marschboden konservierte die organischen Stoffe, so dass die Hausgrundrisse erhalten blieben. Die bäuerlichen Gehöfte bestanden überwiegend aus dreischiffigen Wohnstallhäusern, Vorratsspeichern und Werkstätten.

Mit Brandschutt verfüllt waren auch zwei runde Befunde von 1,40 m Durchmesser und bis zu 3 m Tiefe. Diese zeigten ab 1 m Tiefe eine ringförmige Verfärbung, die ehemalige holzverschalte oder mit Flechtwerk ausgekleidete Brunnenschächte vermuten lassen. Der Grundwasserspiegel liegt hier heute bei etwa 4 m Tiefe, jedoch muss er vor der Rheinregulierung im 19. Jahrhundert bei etwa 2 m Tiefe gelegen haben.

Durch geomagnetische Messungen konnten außerdem zwei Bereiche lokalisiert werden, die hoher Hitzeeinwirkung ausgesetzt waren. Bei der Ausgrabung zeigten sich im Planum zwei runde Befunde von 1,30 m Durchmesser und 1,40 m Tiefe, die mit stark gebranntem und teilweise sogar verschlacktem Hüttenlehm und Holzkohle, vor allem Eiche, verfüllt waren. Wozu diese Anlagen gedient haben, lässt sich nicht sagen. Möglich wäre eine Funktion als Getreidedarre, wie sie in der steinzeitlichen Siedlung von Hochdorf bei Stuttgart ausgegraben wurde. Dafür spricht außerdem, dass hier die meisten verkohlten Getreidereste gefunden wurden.

Mit einer weiteren Ausgrabung 2010 sollte abgeklärt werden, ob sich die frühalamannische Siedlungsstelle in Richtung Osten erweitert. Während der Grabung gefundene Pfostengruben weisen auf weitere frühalamannische Hausbauten hin, wie sie schon in den vorangegangenen Grabungen festgestellt wurden. In einer Grube wurde eine Verfüllung mit Keramikfragmenten entdeckt, die in die 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts und in die 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts datiert wurden. In der oberen Verfüllung dieser Grube fanden die Archäologinnen und Archäologen eine römische Scheibenfibel mit abgebrochener Nadel. Sie ist in der Grabungsvitrine im Erdgeschoss des Museums ausgestellt.

Insgesamt wurden zwei Gebäude eindeutig erkannt: das Wohnstallhaus und der Rundspeicher (Rutenberg). Bei drei anderen Gebäuden konnten nur Vermutungen über ihren Zweck angestellt werden. In Zusammenarbeit mit dem Archäologen und Hausforscher Dr. Christian Maise hat das Alamannen-Museum zum Zweck der Rekonstruktion die drei nicht definierten Gebäude als Grubenhaus, Schmiedewerkstatt und Handwerkerhaus interpretiert. Hierbei wurde auf Erkenntnisse der frühmittelalterlichen Hausforschung sowie auf Grabungsberichte über die Feddersen Wierde zurückgegriffen.

Die zeitliche Datierung der frühalamannischen Siedlung erfolgte 2009 durch eine C14-Analyse einer Holzkohle aus dem Befund eines Pfostenloches des Wohnstallhauses. Die C14-Methode oder Radiokarbondatierung misst die Zerfallsdauer der radioaktiven Kohlenstoffisotope ab dem Zeitpunkt des Zerfallsbeginns. Man kann also das Alter und das Ende der Siedlung einigermaßen genau bestimmen, andererseits aber keine Aussage darüber machen, wie lange zuvor die Siedlung bestanden hat. Das Ergebnis der Untersuchungen datiert das Ende der Besiedlung auf die Zeit von 390 – 430 n. Chr. Das Grabungsareal liegt im Bereich des Gewerbegebietes „Grub“ und ist inzwischen weitgehend überbaut. Es liegt auf der Kuppe eines sog. Schwemmlössfächers, der bis zu drei Meter höher liegt als die Umgebung. Insofern war der Siedlungsplatz von den frühen Alamanninnen und Alamannen gut ausgewählt worden. Unter der Humusschicht befand sich eine 40-50 cm dicke Lössschicht (das Stratum), darunter die Grabungsfläche (das Planum). Die gefundenen Pfostenlöcher, Gruben und Brunnen waren mit Brandschutt verfüllt, daher ist ein größerer Brand als Ursache für die Aufgabe der Siedlung wahrscheinlich.